Die Zöliakie, auch bekannt als Glutenunverträglichkeit, ist eine chronisch-entzündliche Erkrankung der Dünndarmschleimhaut, die durch eine fehlgeleitete Reaktion des Immunsystems entsteht. Der Begriff „Zöliakie“ stammt aus dem Griechischen, und bedeutet so viel wie „an der Verdauung leidend“.
Zöliakie wird durch eine Unverträglichkeit gegen bestimmte Bestandteile in der Nahrung, das sogenannte Klebereiweiß Gluten bzw. seine Untereinheit, das Gliadin, verursacht. Gluten findet sich in vielen Getreidesorten wie zum Beispiel Weizen, Gerste, Roggen oder Dinkel. Die einzige Form der Behandlung bei einer Glutenunverträglichkeit besteht in einer strikten glutenfreien Ernährung.
Nehmen Betroffene Lebensmittel mit Gluten zu sich, reagiert das Immunsystem bei einer Glutenunverträglichkeit mit der Ausschüttung von Antikörpern gegen körpereigene Zellen des Dünndarms. Es kommt zu einer Überreaktion der Immunabwehr, die zu einer Entzündung der Darmschleimhaut führt. In der Folge bilden sich die Zotten des Darms zurück (Zottenatrophie). Bei den Zotten handelt es sich um Ausstülpungen, die die Oberfläche des Darms vergrößern und so für eine ausreichende Aufnahme von Nährstoffen sorgen. Diese verminderte Nährstoffaufnahme wird auch als Malabsorption bezeichnet. Die Zöliakie gilt daher als Autoimmunerkrankung, obwohl sie auch typische Anzeichen einer Allergie aufweist.
Zöliakie wurde lange Zeit aufgrund der verschiedenen Ausprägungsformen häufig erst spät oder auch gar nicht erkannt. Bis in die 1950er-Jahr ging man davon aus, dass eine Glutenunverträglichkeit insbesondere Kleinkinder betrifft und grenzte ein spätes Vorkommen im Erwachsenenalter unter dem Begriff „einheimische Sprue“ ab. Heute weiß man, dass eine Zöliakie grundsätzlich in jedem Alter auftreten kann, gehäuft allerdings zwischen dem ersten und achten sowie dem 20. und 50. Lebensjahr.
Die Angaben zur Häufigkeit variieren insbesondere wegen der unterschiedlichen Erscheinungsformen der Erkrankung. Die Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) spricht in ihrer Leitlinie „Zöliakie, Weizenallergie und Weizensensitivität“ vom „Chamäleon der Gastroenterologie“. Erschwerend zur Angabe über Patientenzahlen kommt hinzu, dass sich im Laufe der Jahre eine Vielzahl von Begrifflichkeiten durchgesetzt haben, die allerdings teilweise dasselbe meinen oder sich gar widersprechen.
Die Deutsche Zöliakie Gesellschaft beziffert die Zahl der von Zöliakie Betroffenen in Deutschland auf 1:100. Sie geht allerdings von einer deutlich höheren Dunkelziffer aus. Zudem wird vermutet, dass in den nächsten Jahren die Anzahl der Patienten deutlich ansteigen wird, weil die Möglichkeiten zur Diagnose von Zöliakie stetig weiterentwickelt werden.
Um einheitliche und klare Begrifflichkeiten einzuführen, empfiehlt die Leitlinie eine klare Abgrenzung in fünf Verlaufsformen der Zöliakie. Früher verwendete Definitionen wie „atypische“, „asymptomatische“, „latente“, „overte“, „oligosymptomatische“ oder „silente“ Zöliakie sollen heute nicht mehr als Diagnosebezeichnung dienen.
Die klassische Form, auch als „Vollbild der Zöliakie“ bezeichnet, tritt bei etwa 10 bis 20 % der Patienten auf. Sie entsteht häufig im frühen Kleinkindalter, meist schon nach dem Abstillen. Typische Symptome sind Appetitlosigkeit, Übelkeit, Blähungen, chronischer Durchfall, Wachstumsstörungen und ein aufgeblähter Bauch. Bei Kleinkindern kommen häufig Eisenmangel und Verhaltensveränderungen wie zum Beispiel übermäßige Weinerlichkeit hinzu.
Als symptomatische Zöliakie wird eine Verlaufsform bezeichnet, die nicht im Kleinkindalter, sondern später entsteht. Auch bei der symptomatischen Form können die Betroffenen unter starken Bauchschmerzen und Durchfall leiden, allerdings treten die Symptome insbesondere außerhalb der Bauchgegend auf. Solche Symptome sind beispielsweise Schlaflosigkeit, Müdigkeit, Depression, Migräne, aber auch Störungen der Schilddrüsenfunktion oder Epilepsie.
Patienten mit einer subklinischen Zöliakie weisen in der Regel keine typischen Symptome auf. Beim Verzehr glutenhaltiger Lebensmittel entstehen im Blut allerdings die für eine Zöliakie typischen Antikörper. Auch Veränderungen der Darmschleimhaut lassen sich feststellen. Die Krankheit wird meist im Rahmen anderer Untersuchungen entdeckt, häufig bei einer Biopsie des Dünndarms oder labortechnischen Untersuchungen. Obwohl Betroffene einer subklinischen Zöliakie häufig keine greifbaren Beschwerden bemerken, bessert sich bei vielen die Lebensqualität zusehends, sobald auf glutenhaltige Lebensmittel verzichtet wird, da zum Beispiel Symptome wie Müdigkeit bisher nicht auf die Zöliakie zurückgeführt wurden.
Die sogenannte refraktäre Erscheinungsform tritt meist bei Erwachsenen auf und hat in der Regel einen langsamen Krankheitsverlauf. Als refraktär wird die Zöliakie dann bezeichnet, wenn trotz einer strikten glutenfreien Diät erneut Symptome der Zöliakie auftreten.
Patienten mit einer potenziellen Zöliakie weisen keine Auffälligkeiten bei einer Dünndarmbiopsie auf, haben aber die typischen Antikörper im Blut. Ernähren sich diese Patienten weiterhin glutenhaltig, sollten regelmäßige Kontrolluntersuchungen stattfinden.
Sabrina Mandel